Freaks - Produzenten mit Leidenschaft

Von Roman Hund am 13.01.25

Unser Produzenten - Leidenschaft für Delikatessen und Feinkost

Freaks sind Leute, die eine bestimmte Sache ziemlich exzessiv betreiben. Freaks sind zwar Freaks, sie stehen jedoch unbedingt an der Schwelle zur Coolness, gerade weil sie ihr Ding machen, egal, was andere davon halten. Und: Freaks sind keine Nerds. Sie interagieren mit ihrer Umgebung. Selbst wenn viele von ihnen ein Leben lang im Hafen der Sinnlosigkeit herummanövrieren, gibt es unter ihnen solche, die uns als Gesellschaft mit etwas ganz Besonderem beschenken – von den Kulinarikern unter den Freaks soll an dieser Stelle die Rede sein. So unterschiedlich ihr Tun sein mag, eines ist immer gleich. Das Kopfschütteln und der Gedanke: „Darauf wäre ich nie gekommen“. Noch etwas: Freaks können weiblich sein. 

beispiel eins. der verdichter 

Ein hübsches Gläschen. Darin Tomaten. Soweit erst einmal. Auf dem Weg zum Inhalt dieses Gläschens begegnet man einer nicht eben kleinen Gruppe von Produzenten, deren Ziel es ist, so viel Wasser wie möglich in eine Tomate zu bekommen, bevor sie sie zu Markte tragen. Das Gläschen hingegen ist Resultat genau der entgegengesetzten Richtung: Verdichtung. Piennolo ist eine kleine Tomatensorte von den Hängen des Vesuvs mit dicker, dunkelroter Schale. Ihr Geschmack wird nochmal intensiver durch leichtes Antrocknen, bevor sie im eigenen Saft oder in Salzlake abgefüllt wird. Das Ergebnis ist sensationell, sozusagen die Essenz der Essenz des Tomatengeschmacks. Slow Food hat die „Pomodorino del Piennolo del Vesuvio DOP“ schon vor längerem in die „Arche des Geschmacks“ aufgenommen. Aber es braucht tief mit den Vesuv-Traditionen verbundene Fanatiker wie die Bauern der Azienda Agricola Casale Pietropaolo, damit das Seltene zu seltenem Genuss wird. Eigentlich sollte man dieses Gläschen immer mit sich führen. Man weiß nie, ob einem nicht ein gegrillter Fisch begegnet oder sonst was, das unverhofft auf Veredelung durch die sizilianische Sonne wartet. 

beispiel zwei. der diplomant 

Es begann ziemlich harmlos 2003 mit einer Diplomarbeit über Schweinehaltung. Titel: „Schweine in der Waldweide und Möglichkeiten der Reaktivierung dieser Haltung“. Verfasst wurde sie von Hans-H. Huss, der sich in ihr mit dem historischen Haltungsverfahren von Hausschweinen in deutschen Wäldern beschäftigt. Womit niemand rechnete: Dass Huss das, was er herausfand, auf drei Hektar Land in die Tat umsetzen würde. Heute gibt es die Eichelschwein GmbH und mit ihr auf klapp 50 Hektar Hausschweine, die sich frei durch den fränkischen Hutwald wühlen. Hutwald bedeutet: Man rodet nicht zur Weide, sondern schickt das Vieh in den Wald. Das öffentliche Interesse ist so groß, dass ein „Erlebnisweg“ geplant ist. Ein Erlebnis außerdem: die fantastisch würzigen Würste und Pasteten des Eichelschweins aus dem Hutwald. 

beispiel drei. der völkerwanderer

Es ist nicht ungewöhnlich: Bienenvölker dahin zu fahren, wo Raps, Lavendel, Sonnenblumen blühen. Man muss aber eine gewisse Portion Fanatismus mitbringen, um, wie Davide Bosio und seine Frau Roberta von der Apicoltura Vallera es tun, seine Bienen mit dem LKW auf die Almwiesen des Val Chisone, Val Thures und Val Germanasca zu kutschieren, damit sie dort Alpenrose, wilde Himbeere, Glockenblume, Thymian, Esparsette, verschiedene Kleearten und allerlei andere alpine Blumen und Kräuter verkosten. Die Honigausbeute dieser Touren ist minimal, der Geschmack dafür einmalig. So lohnt dann letztlich doch wieder alles. Es muss nur Leute geben, die sowas tatsächlich machen. Testen Sie unbedingt den herrlichen Alpenrosenhonig und den einzigartigen Piemonteser Hochgebirgs-Wildblumenhonig der beiden.

beispiel vier. fortschrittsverweigerer 

Man betritt den kleinen Laden durch einen Fliegenvorhang, den jedes Haushaltsgeschäft in Kampanien führt. Dann aber ist man in einer anderen Welt, die aus Donatella Marino, ihrem Mann Vincenzo sowie tiefster Vergangenheit besteht. Hier werden nach alter Tradition („Die Alten wissen mehr als wir“) Sardellen verarbeitet. Gefangen werden diese ausschließlich „alla menaica“, einer Tradition, die es mittlerweile nur noch in der Gegend rund um Marina di Pisciotta und Acciaroli gibt: Mit langen Holzbooten (menaide) fahren die Fischer in ruhigen Nächten zwischen April und Juli auf das Meer und werfen ihre Netze aus. Der Fang wird sofort verarbeitet, anschließend folgt eine lange Reifezeit in Steingutgefäßen. Die gute Nachricht: Slow Food hat für die Alici di Menaica ein Presidio eingerichtet, um diese Art des Fischfangs wieder rentabler zu machen. Die schlechte: Die Qualität der Sardellen ist so gut und die Menge so winzig, dass wir pro Kunde höchsten zwei Gläser Alici di Menaica sott‘Olio abgeben können. 

beispiel fünf. der unterirdische 

Es geht um Schein und Sein und um viel Geld. Und es geht um einen Mann, der als Anwalt des Wahren seine Nase überall hineinsteckt: in Kofferräume und Plastiktüten, in Hinterzimmer und Verkaufsräume. Er ist unser Gewährsmann – der Name spielt keine Rolle –, wenn wir Ihnen Albatrüffel (Tuber magnatum pico) und schwarzen Wintertrüffel (Tuber melanosporum) anbieten. Und er ist auch derjenige, der zu allen Sommertrüffeln und so weiter sagt: „Vergiss es!“ 

beispiel sechs. der fremde

 Vanja Dujc. Quereinsteiger. Produziert eines der begehrtesten Olivenöle in einer Region, Slovenien, die für Öle eigentlich gar nicht existiert. Er ist das beste Beispiel für einen positiven Fanatismus, der die Sache, einmal ihr verschrieben, über Ruhm, Macht und Reichtum stellt. Und zu grandiosen Qualitäten findet. Es ist paradox, aber gerade der Internethandel eröffnet neue Möglichkeiten, von all diesen fixen Ideen zu erfahren und als Produzent auch leben zu können. Entdecken Sie hier das begehrte Olivenöl von Vanja Dujc.